Industrie 4.0: Wenn die Maschinen intelligent werden…

Der Begriff Industrie 4.0 ist noch gar nicht so alt. Erst 2011 wurde er auf der Industrie-Messe in Hannover aus der Taufe gehoben. Um die Dimension der damit implizierten 4. industriellen Revolution in etwa zu erahnen, ist es ganz hilfreich, sich die drei zu vergegenwärtigen, die wir bereits erlebt und die unsere Lebens- und Arbeitswelt so entscheidend geprägt haben.

 

Von der 1. bis zur 3. industriellen Revolution

Die 1. industrielle Revolution veränderte die bis dahin agrarische geprägte Welt durch die Mechanisierung der Produktion mittels Wasser- und Dampfkraft. Vor allem die neue Nutzung fossiler Energieträger zur Herstellung von Waren ermöglichte ungeahnte Produktivitätsfortschritte und verbesserte die Lebensumstände von Millionen Menschen.

Die 2. industrielle Revolution ist gekennzeichnet von der Optimierung der industriellen Produktion und die weiter fortschreitende Arbeitsteilung. Ihr Symbol ist das Fließband und der Achtstundentag, zwei Seiten einer Medaille, die von ihrem Erfinder Henry Ford immer zusammen gedacht wurde. Weitere Merkmale der 2. industriellen Revolution: Der großflächige Einsatz der Elektrizität und der Aufstieg der chemischen Industrie.

Die 3. industrielle Revolution ist bereits ein Kind unserer Zeit. Ihr Symbol ist der Computer. Die  Digitalisierung vieler Arbeitsprozesse und der Kommunikation hat die industrielle Produktion weiter beschleunigt und die globale Arbeitsteilung forciert.

 

Was macht die 4. industrielle Revolution aus?

Die vierte industrielle Revolution steht erst in den Anfängen. Es zeichnet sich allerdings ab, welche Bereiche der industriellen Produktion diese Entwicklung tangieren wird. Durch die massive Verbreitung des Internet wachsen reale und virtuelle Welt zu einem Internet der Dinge zusammen. Die Kennzeichen der künftigen Form der Industrieproduktion bestehen aus einer starken Individualisierung der Produkte unter den Bedingungen einer hoch flexibilisierten Produktion, die direkte Integration von Kundenwünschen sowie Geschäftspartnern in Geschäftsprozesse und die Verkopplung von Produktion und hochwertigen Dienstleistungen, die in hybriden Produkten mündet. Die folgenden Anwendungsszenarien zeigen beispielhaft, wie Industrie 4.0 in der Fabrik von Morgen gelebt werden kann.

 

Die resiliente Fabrik

In Zeiten der Industrie 4.0 muss eine Produktionslinie nicht auf ein Produkt festgelegt sein. Die Unterstützung durch IT-Prozesse macht es möglich, die Bearbeitungsstationen flexibel an einen sich verändernden Produktmix anzupassen – und Kapazitäten optimal auszulasten.

 

Marktplatz für Technologiedaten

Die Vernetzung der Produktionsstätten eines oder mehrerer Unternehmen bietet das Potenzial, Wissen schnell und unkompliziert auszutauschen. Ein Beispiel: Auf einer Lasermaschine sollen Kundenteile aus beigestellten Blechtafeln produziert werden. Die auf der Maschine verfügbaren Technologiedaten liefern keine brauchbare Qualität. Für eine klassische Schneiddatenoptimierung steht weder Material noch Zeit zur Verfügung. Durch Zugriff auf internes und externes Technologie-Know-how kann der Auftrag trotzdem in der erwarteten Qualität termingerecht abgewickelt werden.

 

Intelligentes Instandhaltungsmanagement

Die indirekten Kosten ungeplanter Maschinenstillstände können die direkten Kosten einer Wartung oder Reparatur beträchtlich übersteigen. Mit vorausschauenden Instandhaltungskonzepten lassen sich für die Folgekosten ungeplanter Stillstände deutlich reduzieren.

 

Vernetzte Produktion

Der von Verbrauchern gewünschte Trend hin zu einer größeren Individualisierung von Produkten führt zu komplexen Produktionsabläufen. Dem können die Unternehmen nur Herr werden, indem sie die Maschinen durch IT-gestützte Prozesse flexibler machen.

 

Selbstorgansierende adaptive Logistik

Das Bild kennt inzwischen jeder: Roboter kurven durch die Großraumlager bei Amazon und beliefern die Packer wie von Geisterhand gesteuert. Ähnliches wird auch in der Industrie angestrebt. Sobald ein Kunde ein Produkt mit seinen individuellen Spezifikationen bestellt, organisiert sich die moderne Fabrik selbsttätig um. Lieferanten werden aktiviert und zeitoptimal eingetaktet. All das wird möglich, weil die steuernden Informationen nicht mehr in der Maschine sondern direkt am Material vorliegen und von der Produktionseinheit ausgelesen werden.

 

Kundenintegriertes Engineering

Immer weitreichendere Kundenanforderungen an Termintreue und späte Änderungen machen ein grundsätzliches Umdenken im Zusammenspiel der klassischen Produktionsaufgaben mit dem Kunden und der Lieferkette notwendig. Durch eine Integration des Kunden in die planendenTätigkeiten des beauftragten Unternehmens entstehen eine neue Transparenz und eine synchronisierte Produktion.

 

Nachhaltigkeit durch Up-Cycling

Bisher wurden teure Rohstoffe, die einen immer größeren Teil der Produktkosten ausmachen, höchstens recycelt. In der Industrie 4.0 gehen die Unternehmen einen Schritt weiter. Das Produkt wird gar nicht mehr komplett verkauft, sondern nur die zeitweise Nutzung vermarktet. Nach Ende des Produktzyklus geht die Ware zurück in den Kreislauf und wird neu verwertet. Dies wird durch direkt im Produkt abgespeicherte Informationen über die Herstellung und die dabei verwendeten Rohstoffe möglich. Durch die umfassende Informationsbereitstellung wird anstelle eines Reyclings sogar ein Up-Cycling durchführbar.

 

Die vernetzte Fabrik

Die vierte industrielle Revolution zeigt sich aber nicht nur am Transportband in der Werkshalle, sondern verändert auch die Welt vor den Fabriktoren. Die gesamte Produktionslogik wandelt sich. Intelligente Maschinen und Produkte, Lagersysteme und Betriebsmittel werden konsequent mittels IT-Systeme verzahnt – entlang der gesamten Wertschöpfungskette, von der Logistik über Produktion und Marketing bis zum Service.

Ein Beispiel: Ein Bauteil im Auto ist künftig so ausgestattet, dass es kontinuierlich Daten über seinen Zustand sammelt und mitteilen kann, wenn ein Austausch nötig wird – und das, bevor es zum Ausfall kommt. Das Produkt sendet selbstständig eine Mitteilung an den Hersteller, dass Ersatz gefertigt werden muss. Die Bestellung enthält neben genauen Angaben zum Fahrzeugtypen auch die Information, wohin das Bauteil anschließend versandt werden muss. In der Fabrik wird der Auftrag bearbeitet, die Maschinen konfigurieren sich selbst so, dass das passende Teil gefertigt wird und schicken es schließlich auf die Reise an den richtigen Zielort. Der Termin in der Werkstatt ist dann bereits vereinbart – auch darum hat sich das Auto gekümmert.

 

Fazit

Das Konzept der Industrie 4.0 ist die komplexe Antwort auf eine immer komplexere Welt.

Diese wird geprägt

  • von einer verstärkten Individualisierung der Kundenwünsche
  • einer immer umfassenderen Vernetzung durch hochleistungsfähige Kommunikationssysteme
  • einem effizienteren Umgang mit endlichen Ressourcen

Das Ergebnis besteht in der intelligenten Fabrik, in der Planung, Logistik, Produktion und Vermarktung zu einem komplexen, intelligenten Prozess verschmelzen. Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten für die Unternehmen, vor allem aber auch für die Verbraucher.

5. Juli 2016