Preisverfall im Tech-Sektor – Ein erschreckender Trend der Entwicklungsdienstleistungen

Preisverfall im Tech Sektor
Preisverfall im Tech-Sektor gefährdet die Branche

Entwicklungsdienstleistungen von Ingenieurbüros werden in großen Unternehmen immer wichtiger. Innerhalb der letzten 20 Jahre ist dieser Sektor um das Vierfache angewachsen (1) und wird vor allem im Maschinenbau, der Elektro- und Flugzeugindustrie sowie in der Automobilbranche immer relevanter. Die Fachkräfte, meist Ingenieure, sind einen begrenzten Zeitraum im Unternehmen und erbringen vergleichbare Leistungen mit Stammarbeitern. Studien schätzen das Auftragsvolumen in 10 Jahren auf 29 Milliarden Euro. Gleichzeitig werden allerdings die Budgets im Bereich Forschung und Entwicklung gekürzt. (2) Das beste Beispiel ist die Automobilindustrie, das Aushängeschild Deutschlands mit 435,3 Mrd. Euro Umsatz und 830.000 Beschäftigten (2019). (3)

Der Preiskampf unter den Konzernen am Markt wirkt sich auch auf die Zulieferer und Belegschaft aus. So steigt die Nachfrage nach flexibel einsetzbaren, aber hochqualifizierten Arbeitnehmern, die allerdings in großen Unternehmen auf immer schlechtere finanzielle Bedingungen treffen. Alternativ werden Dienstleister im Ausland noch günstiger beauftragt. Dieser Preisverfall macht die Branche kaputt. Ein Interview mit Claus Brandt von iks Engineering.

Wie hat sich die Entwicklungsdienstleistung über die letzten Jahre verändert?

Claus Brandt: Die Entwicklungsdienstleistung hat sich in letzter Zeit deutlich verändert. Leider nicht zum Guten. Zum einen sind in den letzten Jahren immer mehr Dienstleister auf den Markt gekommen. Sehr viele große Personaldienstleister haben kleine Ingenieurbüros aufgekauft und sind somit in den Markt der eher spezialisierten Entwicklungsdienstleister eingedrungen. Zum anderen sind auch viele Ingenieurbüros aus den östlichen EU-Ländern sowie Indien und China im Markt aufgetaucht. Dieser Trend hat dazu geführt, dass die Preise am Markt stark reduziert wurden.

In welche Länder werden Entwicklungsdienstleistungen ausgelagert und warum? 

Claus Brandt: Die Ingenieurbüros der iks Engineering verfügt über eine große Kompetenz im Bereich Automotive, insbesondere spezielle Interieurteile und Karosseriedichtungen. Hier haben wir eine 25-jährige Expertise. In der Regel arbeiten wir für einen großen OEM (großer eigenständiger Automobilhersteller) und entwickeln Mittelkonsolen oder entwerfen Karosseriedichtungen unter anderem für Cabrios.

In der Vergangenheit hat man eine Beauftragung für eine Mittelkonsole bekommen, die eine Mannschaft von acht bis zehn Mitarbeitern für ein bis zwei Jahre mit intensiver Arbeit versorgte. In den letzten Jahren sind die OEMs dazu übergangen, nur noch gesamte Fahrzeuginnenräume an einen Entwicklungsdienstleister zu vergeben. Diese Unternehmen können allerdings nicht den gesamten Umfang dieser Beauftragung abbilden und vergeben wieder Unteraufträge.

Die direkten Teilefertiger (Tier I) sind auch dazu übergegangen, nur noch Teilprojekte zu vergeben. Das heißt, man ist manchmal nur für ca. sechs Monate beauftragt. Danach wird das Projekt einfach an einen anderen Dienstleister weitergegeben. Hier wird dann für die oft weniger Knowhow belasteten Aufgaben die Arbeit nach Indien oder China ausgelagert. Dies hat natürlich den Vorteil, dass in diesen Ländern für einen wesentlich geringeren Verrechnungssatz gearbeitet wird.

Wie verhält sich der Preisverfall in großen Konzernen?

Claus Brandt: Die Automobilbranche hat dieses „zerfleddern“ der Projekte bis ins Detail entwickelt und auch umgesetzt. Dazu kommt meiner Meinung nach ein künstliches Verzögern der Projektvergabe, die den Entwicklungsdienstleister dazu zwingt, fast jeden Preis zu akzeptieren, um nicht zu viel Leerlauf zwischen den Projekten zu haben. Dies ist in den letzten drei Jahren besonders auffällig geworden, da insgesamt auf dem Markt wenige Entwicklungsprojekte ausgeschrieben waren. So mussten sich viele Entwicklungsdienstleister um wenige Projekte streiten, was natürlich zusätzlich zu einem starken Preisverfall geführt hat.

Können Sie den Preisverfall an einem konkreten Beispiel darstellen?

Claus Brandt: Es ging um ein Projekt für die Produktaufwertung eines auf dem Markt befindlichen neuen E-Fahrzeugs. Hier sollte die Mittelkonsole umgestaltet und zum Teil neu entwickelt werden. Wir haben für das etwa ein Jahr dauernde Projekt ein Angebot über 650.000 Euro gemacht.

Dieser Preis ist schon mit einer sehr heißen Nadel gestrickt. Da bleibt am Ende nicht viel übrig. Der OEM hat nach der Sichtung und dem Vergleich mit den Konkurrenzangeboten ein sogenanntes Target gesetzt. Target bedeutet, dass man in die Nähe dieses Preises kommen muss, um überhaupt eine Chance des Projektgewinns zu haben. Das Target lag bei 350.000 Euro. Wir haben nachher aus der Fachabteilung gehört, dass das Projekt für 270.000 Euro vergeben wurde. Ich denke zu diesem Preisverfall braucht man nichts mehr zu sagen. 

In den Ausschreibungsunterlagen der OEMs wird im Bereich Entwicklungsdienstleistung explizit auf die Vergabe von Unteraufträgen an sogenannte „Low Cost Countries“ hingewiesen. In diesen Ländern werden die Projekte mit einem durchschnittlichen Stundensatz von 28 bis 32 Euro/Stunde kalkuliert. Das reicht in Deutschland nicht einmal, um den Mitarbeitern die Gehälter zu zahlen. Jede Kfz-Werkstatt oder jeder Handwerker verlangt ein Vielfaches. Gleichzeitig wird verlangt, dass Fachpersonal mit 20 Jahren Berufserfahrung als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Diese Fachleute wird es so in Zukunft nicht mehr geben, weil es keinen Nachwuchs gibt. Somit geht das ganze deutsche Knowhow immer weiter ostwärts.

Was macht die TEC um dem Preisverfall entgegen zu wirken?

Claus Brandt: Der massive Preisverfall führt dazu, dass wir uns als Unternehmen umorientieren müssen. Wir wenden uns immer mehr von der Automobilbranche ab und versuchen mit Kunden aus dem Mittelstand neue Geschäftszweige aufzubauen und weiterzuentwickeln. Wir sind hier im Bereich Flurförderfahrzeuge und autonome Fahrzeuge auf einen guten Weg. Die meisten unserer Mitarbeiter aus dem Automotivsektor schulen wir entsprechend um. In einigen Bereichen haben wir hochqualifizierte Spezialisten, die man in China oder Indien nicht billig einkaufen kann. Sie arbeiten weiterhin in diesen Automotivebereichen.

In der Vergangenheit haben wir auch Kooperationen mit Ingenieurbüros aus Polen aufgebaut, die wir nach wie vor pflegen. In Polen sind die Arbeitskosten etwas geringer als bei uns und so versuchen wir in spezialisierten Bereichen konkurrenzfähig anzubieten. Leider führt dies zum jetzigen Zeitpunkt nicht dazu, dass man kostendeckend ein Projekt gewinnen kann.

Welche Themen sind als Entwicklungsdienstleistung besonders gefragt? 

Claus Brandt: Zur Zeit ist es auf dem ganzen Markt ziemlich ruhig. In bestimmten Bereichen wie autonomes Fahren, Infotainment oder Batteriesteuerung ist die Nachfrage sehr groß. Das sind allerdings auch Bereiche, die im Ingenieursektor relativ neu sind, sodass die hierfür zur Verfügung stehenden Mitarbeiter entsprechend rar sind.

Was würden Sie sich von den großen Konzernen für die Zukunft wünschen?

Claus Brandt: Gerade von den OEMs würde ich mir wünschen, dass sie bei der Projektvergabe das Preisleistungsverhältnis im Auge behalten. Es macht meiner Meinung nach keinen Sinn, alles möglichst billig einzukaufen, um am Ende alles nochmal nachzuarbeiten beziehungsweise dem Autokäufer ein mangelhaftes Produkt zur Verfügung zu stellen.

Darüber hinaus ist es für alle Beteiligten viel besser mit deutschen Dienstleistern zu kooperieren. Wir kennen in der Regel die „Needs“ der Kunden sehr gut, da wir in der Vergangenheit über Jahrzehnte miteinander gearbeitet haben. Der Reibungsverlust ist wesentlich geringer und die Steuern bezahlen wir auch noch im eigenen Land. Aber die Qualität, die wir liefern, ist nicht mehr gefragt.

In den letzten Jahren ist mir auch sehr negativ aufgefallen, dass man auf ein Emailangebot oder auch eine Rückfrage oft wochenlang warten muss oder sogar überhaupt keine Antwort mehr erhält. Hier fehlt absolut die Wertschätzung gegenüber dem Entwicklungspartner. Eine sehr betrübliche Entwicklung!

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Weitere Quellen:

  1. IG Metall (o. D.). Entwicklungsdienstleistungen – Wertvolle Arbeit unter schlechteren Bedingungen? Online unter: https://www.gute-arbeit-fuer-alle.de/entwicklungsdienstleistungen/ (zuletzt abgerufen am 09.08.21)
  2. Beutnagel, W. (2020). Studie des VDA. Markt für Entwicklungsdienstleistungen boomt. Online unter: https://www.automotiveit.de/technology/markt-fuer-entwicklungsdienstleistungen-boomt-102.html (zuletzt abgerufen am 09.08.21)
  3. VDA Jahresbericht 2020 (2020). Die Automobilindustrie in Daten und Fakten. Online unter: https://www.google.com/url? (zuletzt abgerufen am 09.08.21)

10. August 2021